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Zwischen Bewusstem und Unbewusstem

GT-Göttingen vom 25.03.2016

Zahlreiche ambitionierte Künstler leben und arbeiten in Südniedersachsen. Wir besuchen sie in ihren Ateliers, stellen sie und ihre Arbeit in einer Tageblatt-Serie vor. Heute: Charlotte Geister.

Stuckdecken, knarzender Parkettboden, hohe Fenster. Eine schöne Altbauwohnung in der Südstadt. In einem Raum sind vier Staffeleien aufgestellt, weitere in einer Ecke gestapelt. In der Mitte steht ein großer Tisch mit Stühlen, vor dem Fenster ein Tapetentisch.
Schälchen mit Aquarellfarbresten sind Überbleibsel eines Malkurses. Im Zimmer nebenan liegen Knäule von Stickgarn auf einem Tisch. Daneben steht eine Nähmaschine. Kleber, Schere und eine Vielzahl an Stiften sind griffbereit.

Schichten und Zwischenräume

Der Blick des Besuchers fällt auf vier kleine Collagen. Eine Serie mit aktuellen, minimalfarbigen Werken, die an einer Wand hängen. Filigrane Hemdchen sind auf Papier gearbeitet. Aus unterschiedlichen Materialien, gefaltet, bestickt, geschnitten. Seit gut zwei Jahren setze sie Organza ein, ein hauchdünnes Textilgewebe, erklärt Charlotte Geister (62). „Das ist transparent und scheußlich zu verarbeiten.“ Vor allem aber passt das Stoffgewebe zur Intention der Kompositionen. „Es schafft Schichten und Zwischenräume, innere Gestimmtheiten.“ Jedes Hemdchen steht für eine Hülle, die verletzt worden ist, gebrochen, verwandelt.

Nach dem Studium an der Freien Kunststudienstätte Ottersberg kam die gebürtige Düsseldorferin 1988 nach Göttingen. Von 1993 bis 1995 organisierte sie die Ausstellungen in der Galerie Apex. Ehedem Mitglied im Vorstand des BBK-Bezirksverbands Südniedersachsen, initiierte sie vor gut zehn Jahren mehrere „Mini-Kunstmärkte“ zu den Händel-Festspielen mit. Neben ihrer Tätigkeit als Kunstlehrerin an der Waldorfschule und als freie Künstlerin gibt Geister Mal- und Zeichenkurse.

„Mir ist wichtig, dass ich mit meinen Arbeiten etwas beim Gegenüber auslöse. Etwas Witziges, Betroffenheit, etwas Subtileres, vielleicht auch Erinnerungen. Mit meinen Arbeiten würde ich gerne eine Schicht erreichen, die schlummert“, erklärt Geister. Im Mittelpunkt stehe dabei „die Frage der Verletzungen und die Schnittstelle von Bewusstem und Unbewusstem“. Auch gehe es ihr um „eine Doppeldeutigkeit, dass das Offensichtliche nicht immer das ist, was dann wirklich darunter liegt“. Überhaupt arbeite sie „eigentlich immer mit Schichten, immer etwas Zusammengesetztes, meistens Collagen“ und stark in Serien.

Inspiration durch Material

„Ich bin ein ausgesprochener Papier-Freak“, sagt Geister. Ständig sammele sie Papiere von Obsttüten bis zu Plakaten. So kommen Inspiration und Ideen auch stark vom Material her. „Von dem, was es ausstrahlt, wenn man es mit anderem kombiniert und wie widerständig es ist.“ Zudem kommen Textilien und Garne zum Einsatz. Viel Genähtes, Besticktes, Geklebtes und untergeordnet auch Zeichnungen. So beschreibt Geister ihre Arbeitsweise.

Bei den Schichtungen mit Papier und anderen Materialien „würde ich gerne noch viel mehr ausprobieren“, sagt die Künstlerin, die auch gerne unterschiedliche Ausstellungsmöglichkeiten wahrnimmt. Größere Formate will sie künftig angehen, aber auch Künstlerbücher, „Unikate, die über illustrierte Bücher hinausgehen“, würde sie gerne häufiger gestalten.

Von Karola Hoffmann