Die Kunst der Erinnerung

Torhaus-Galerie: Ausstellung mit Werken von Holger Walleck und Charlotte Geister eröffnet

Udo Hinz schreibt im Göttinger Tageblatt am 15.02.2020

Erinnerungen an die Kindheit werden im Alter immer präsenter – das Langzeitgedächtnis ersetzt das Kurzzeitgedächtnis. Die Göttinger Künstler Holger Walleck und Charlotte Geister thematisieren beide seit ein paar Jahren in ihren Werken Erinnerungen aus ihrem Leben. Unter dem Titel „Weit entfernt und doch so nah“ finden sie jetzt zu einer sehenswerten Doppelausstellung in der Torhaus-Galerie zusammen. Am Freitag wurde die Ausstellung im Beisein vieler Kunstinteressierter eröffnet – musikalisch umrahmt von Johanna Diener mit Miniaturen für Solo-Violine.

„In diesen Bildern geht es um Erinnerungen aus der Kindheit, die uns geprägt haben“, so der Göttinger Kunstpädagoge Hans-Jürgen Leffler in seiner Einführung. „Ferne und Nähe lassen sich als eine dialektische
Einheit sehen.“ Die Künstler hätten in einem Gespräch eher zufällig erfahren, dass sie sich mit der gleichen Thematik beschäftigen – da bot sich eine gemeinsame Ausstellung an.

Holger Walleck verrät auf seinen hellen Bildern viel über seine Kindheit: Da taucht die Elbe seines Geburtsorts Hamburg auf, Hund und Katze, Wald, Kleingarten. „Durch das Medium der Kunst werden Erinnerungen vergegenwärtigt – das Malen ist ein Dialog mit dem Bild und mit mir selber“, erzählt Walleck im Gespräch. „Das Collagierte steht bei den Bildern im Vordergrund, die verschiedene Erinnerungen vereinen. Die Bilder sollen auch die Fantasie des Betrachters anregen und eigene Erinnerungen hervorrufen.“

Der Künstler vereint abstrakt wirkende Farbflächen mit figurativen Formen und fügt collagenhaft Textfragmente hinzu. Beispielhaft sein Werk „Schale der Erinnerung“: Um einen großen Kopf mit geschlossenen Augen gruppieren sich skizzenhafte Motive wie Blume, Haus, Hund oder Vogel so wie deutlich lesbar der Satz „Es gibt keinen Weg zurück“ – wie eine rückblickende Quintessenz, das Leben zu akzeptieren, wie es war und ist.

Strukturen aus Nähgarn

Charlotte Geister bringt in ihre Bilder Strukturen aus Nähgarn ein. „Seit zwei Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Erinnerungen und stelle neue Arbeiten vor“, erzählt Geister. „In meinen Bildern arbeite ich mit Schichten, weil auch Erinnerungen wie Schichten übereinander liegen.“

Ihre Serie „Kein Kinderspiel“ setzt sich mit der Kindheit auseinander: Das Bild „Flora“ kombiniert Zeichnungen von Blüten wie in einem Schulheft mit aus Nähgarn gebildeten Linien. Das Bild „ABC“ besteht aus schwarzen Buchstaben, blutroten Nähgarn-Linien, einem durchscheinenden, karierten Papier und einer Kinderzeichnung. Von Poesie durchdrungen ist ihre Serie „Im Versteck“. Die vier Kunstwerke wirken dreidimensional schwebend. Als Basis dient ein mit Gespür für Farben gefärbtes Papier in leuchtendem Rot, dezentem Violett sowie Blau und Grün. Darauf ist ein papiernes Kleid gelegt, dass ein Kind symbolisiert. Darüber ist eine Schicht aus transparentem Organza-Gewebe gelegt, in das florale Formen wie Blätter und Blüten gestickt sind. Eine Kunst gewordene Geschichte, die davon erzählt, wie sich ein Kind hinter Jasmin-Pflanzen versteckt.

Objekte ergänzen Bilder

Beide Künstler ergänzen ihre Bilder durch Objekte. Geister zeigt beispielsweise ein von der Decke hängendes „Wolkenkuckucksheim“ aus Holz, Federn, Papier und Zinnfiguren. Walleck präsentiert Fundgegenstände auf einem Kalksandstein. Zum Beispiel symbolisieren eine Kartoffel und eine Rohrzange sein Vater-Sohn-Verhältnis.

Die Werke der beiden Künstler berühren den Besucher der Ausstellung: Plötzlich tauchen eigene Kindheitserinnerungen auf. Die große Kunst dieser Bilder ist es, den Betrachter auf einer emotionalen und persönlichen Ebene zu erreichen.

Info Die Ausstellung ist bis zum 15. März 2020 zu.sehen in der Torhaus-Galerie, Kasseler Landstraße 1, Göttingen.
Öffnungszeiten: freitags bis sonntags, jeweils von 15 bis 17 Uhr.

ZUM FOTO: Ausstellungseröffnung in der Torhaus-Galerie: Einführung von Hans-Jürgen Leffler (l.) mit Johanna Diener (Musik) sowie Holger Walleck und Charlotte Geister (v.l.).
FOTO: RICHTER

Torhaus-Galerie in Göttingen: Programm für 2020 steht fest

aus dem GT-Göttingen vom 28.12.2019
Die Torhaus-Galerie liegt direkt neben dem Stadtfriedhof in Göttingen. Quelle: Swen Pförtner

Die Torhaus-Galerie in Göttingen bietet stets ein vielfältiges kulturelles Programm – auch im Jahr 2020: Kunst-Ausstellungen und Konzerte werden in den Räumlichkeiten Platz finden.
In der Torhaus-Galerie an der Kasseler Landstraße finden Kunstschaffende Raum, um sich zu präsentieren: Regelmäßig werden Ausstellungen in der Galerie ausgerichtet sowie Konzerte organisiert. Die Torhaus-Galerie befindet sich am Stadtfriedhof und ist Partner des Göttinger „Verschönerungsvereins“.

Während der Ausstellungen ist die Galerie von Freitag bis Sonntag von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Konzertkarten sind vier Wochen vor dem jeweiligen Auftritt bei der Tourist-Information im Alten Rathaus erhältlich. Das Programm für das Jahr 2020 steht nun fest. Die Galerie kündigt die folgenden Kunst-Ausstellungen und Konzerte an:

Februar und März
Holger Walleck und Charlotte Geister „Weit entfernt und doch so nah“
Gemeinsam stellen Charlotte Geister und Holger Walleck ihre Arbeiten von Freitag, 14. Februar bis Sonntag, 15. März aus: Besucher sollen Gemälde, Assemblagen und Objekte betrachten können. Gemeinsam sei auch Geister und Wallecks Anliegen: ein Nachgehen der Frage nach dem, wie sie geworden sind, was sie ausmacht und dem, wer sie eigentlich sind.

Göttinger konnten die Kunst von Charlotte Geisters bereits im Künstlerhaus an der Gotmarstraße betrachten. Quelle: Peter Heller

Hier der Link zum GT

Zwischen Bewusstem und Unbewusstem

GT-Göttingen vom 25.03.2016

Zahlreiche ambitionierte Künstler leben und arbeiten in Südniedersachsen. Wir besuchen sie in ihren Ateliers, stellen sie und ihre Arbeit in einer Tageblatt-Serie vor. Heute: Charlotte Geister.

Stuckdecken, knarzender Parkettboden, hohe Fenster. Eine schöne Altbauwohnung in der Südstadt. In einem Raum sind vier Staffeleien aufgestellt, weitere in einer Ecke gestapelt. In der Mitte steht ein großer Tisch mit Stühlen, vor dem Fenster ein Tapetentisch.
Schälchen mit Aquarellfarbresten sind Überbleibsel eines Malkurses. Im Zimmer nebenan liegen Knäule von Stickgarn auf einem Tisch. Daneben steht eine Nähmaschine. Kleber, Schere und eine Vielzahl an Stiften sind griffbereit.

Schichten und Zwischenräume
Der Blick des Besuchers fällt auf vier kleine Collagen. Eine Serie mit aktuellen, minimalfarbigen Werken, die an einer Wand hängen. Filigrane Hemdchen sind auf Papier gearbeitet. Aus unterschiedlichen Materialien, gefaltet, bestickt, geschnitten. Seit gut zwei Jahren setze sie Organza ein, ein hauchdünnes Textilgewebe, erklärt Charlotte Geister (62). „Das ist transparent und scheußlich zu verarbeiten.“ Vor allem aber passt das Stoffgewebe zur Intention der Kompositionen. „Es schafft Schichten und Zwischenräume, innere Gestimmtheiten.“ Jedes Hemdchen steht für eine Hülle, die verletzt worden ist, gebrochen, verwandelt.

Nach dem Studium an der Freien Kunststudienstätte Ottersberg kam die gebürtige Düsseldorferin 1988 nach Göttingen. Von 1993 bis 1995 organisierte sie die Ausstellungen in der Galerie Apex. Ehedem Mitglied im Vorstand des BBK-Bezirksverbands Südniedersachsen, initiierte sie vor gut zehn Jahren mehrere „Mini-Kunstmärkte“ zu den Händel-Festspielen mit. Neben ihrer Tätigkeit als Kunstlehrerin an der Waldorfschule und als freie Künstlerin gibt Geister Mal- und Zeichenkurse.

„Mir ist wichtig, dass ich mit meinen Arbeiten etwas beim Gegenüber auslöse. Etwas Witziges, Betroffenheit, etwas Subtileres, vielleicht auch Erinnerungen. Mit meinen Arbeiten würde ich gerne eine Schicht erreichen, die schlummert“, erklärt Geister. Im Mittelpunkt stehe dabei „die Frage der Verletzungen und die Schnittstelle von Bewusstem und Unbewusstem“. Auch gehe es ihr um „eine Doppeldeutigkeit, dass das Offensichtliche nicht immer das ist, was dann wirklich darunter liegt“. Überhaupt arbeite sie „eigentlich immer mit Schichten, immer etwas Zusammengesetztes, meistens Collagen“ und stark in Serien.

Inspiration durch Material
„Ich bin ein ausgesprochener Papier-Freak“, sagt Geister. Ständig sammele sie Papiere von Obsttüten bis zu Plakaten. So kommen Inspiration und Ideen auch stark vom Material her. „Von dem, was es ausstrahlt, wenn man es mit anderem kombiniert und wie widerständig es ist.“ Zudem kommen Textilien und Garne zum Einsatz. Viel Genähtes, Besticktes, Geklebtes und untergeordnet auch Zeichnungen. So beschreibt Geister ihre Arbeitsweise.

Bei den Schichtungen mit Papier und anderen Materialien „würde ich gerne noch viel mehr ausprobieren“, sagt die Künstlerin, die auch gerne unterschiedliche Ausstellungsmöglichkeiten wahrnimmt. Größere Formate will sie künftig angehen, aber auch Künstlerbücher, „Unikate, die über illustrierte Bücher hinausgehen“, würde sie gerne häufiger gestalten.
Von Karola Hoffmann

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Kunstmesse Kassel – Sechs Göttinger stellen aus

GT-Göttingen vom 04.10.2018

Von Malerei über Bildhauerei und Fotografie bis hinzu Installation und Video: 89 Künstler, darunter sechs aus Göttingen, präsentieren bei der 3. Kunstmesse Kassel vom 5. bis 7. Oktober ihre Arbeiten.

Ausgewählt wurden die Künstler von einer Jury aus über 100 Bewerbungen. Unter ihnen sind auch sechs aus dem Raum Göttingen: Charlotte Geister, Karin Handke, Sonja Mehner, Michael Melchior, Erhard Schröter, Lilly Stehling, und Uta Oesterheld-Petry aus Heilbad Heiligenstadt.

Austausch mit dem Publikum
Die Ausstellung, die der Kasseler Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK Kassel) organisiert hat, beginnt in der documenta-Halle am Friedrichsplatz am Freitag, 5. Oktober, um 11 Uhr. Alle Kunstschaffenden sind persönlich anwesend.

Der Austausch mit dem Publikum über die eigene Kunst, sei für sie dabei ebenso wichtig, wie die Möglichkeit sich überregional zu präsentieren und Kontakte zu Ausstellern und Käufern zu knüpfen, sagt Lilly Stehling. Und „außerdem ist die documenta-Halle natürlich ein cooler Ausstellungsort.“ Sie wird in Kassel Gemälde aus den beiden vergangenen Jahren, Fotografien und eine Auswahl Steinskulpturen zeigen.

Spannende, abwechslungsreiche Mischung
Bereits zum zweiten Mal nimmt Charlotte Geister an der Kunstmesse teil: „Kassel mit seiner Hochschule hat ein sehr breites Spektrum an Kunst interessierten Besuchern und durch die Förderkojen sind auf der Messe auch vielfältig arbeitende junge Künstler vertreten.“ So entstehe eine spannende, sehr abwechslungsreiche Mischung.

Arbeit von Charlotte Geister: „Irgendwo“ Quelle: R. Haensel

Geister zeigt kleinformatige mit Papier und Organza von Hand genähte Collagen. „Ich werde ganz neue Arbeiten mitnehmen und kleinere gemalte Papierarbeiten, die auch in diesem Jahr entstanden sind, sodass unterschiedliche Themen und Arbeitsweisen zu sehen sein werden. Aber meist Arbeiten, die ich hier in Göttingen noch nicht gezeigt habe.“

Ebenfalls mit neuen Arbeiten werden sich Michael Melchior und Karin Handke präsentieren. Melchior hat sich dabei mit dem Thema Grafik beschäftigt, Handke mit dynamischen Farbflächen.

Butterfly Projekt und 1 Tonne Papier
Wie bei den ersten beiden Messen kooperiert die Kunstmesse Kassel mit der Kunsthochschule Kassel: Eingeladen wurde der Bereich Produktdesign mit seinem Butterfly Projekt. Die unkonventionellen Entwürfe von Hockern laden Besucher mitten im Kunstmesse-Geschehen zum Verweilen ein. Das Butterfly Project startete während der documenta 14 in den Räumen der Kunsthochschule Kassel. Das zweite Highlight der Kunstmesse ist die Aktion „1 Tonne Papier“ der Kasseler Künstlergruppe ZI Zeicheninstitut. Das Publikum kann live erleben, was aus einer Tonne Papier und Karton entsteht.

Förderkojen für junge Künstler
Erstmals wurden drei Förderkojen für junge Künstler eingerichtet, die an der Kunsthochschule Kassel ein Kunststudium absolviert haben und am Anfang ihres beruflichen Weges stehen. Ausgewählt wurden die Fotografin Olga Holzschuh(Preisträgerin des Kasseler Kunstpreises 2018), die sich mit den Auswirkungen der digitalen Techniken auf das Subjekt und dessen Identität beschäftigt, die Malerin Nicole Baumfalk, die Idylle in völlig neuen Farben erblühen lässt sowie René Wagner, der sich in seinen aktuellen Kunstwerken mit der Werbe- und Konsumwelt auseinandersetzt.

Alle zwei Stunden findet eine Verlosung statt. Ausstellende Künstler ziehen per Los die Gewinner der Gutscheine. Diese können direkt beim Kauf eines Kunstwerkes auf der Kunstmesse Kassel 2018 eingelöst werden.

Öffnungszeiten und Eintrittspreise
Die Kunstmesse ist von Freitag bis Sonntag jeweils von 11 bis 20 Uhr geöffnet. Tageskarten kosten zehn Euro/ ermäßigt acht Euro.

Von Christiane Böhm

Hier der Link zum GT-Göttingen

Die Teilnehmerliste